Zwischen Pferderücken und Yogamatte – warum weniger oft so viel mehr ist

Jede*r hat ihre oder seine eigene Art, den Alltag abzuschütteln und die Batterien wieder aufzuladen. Mein ganz persönliches Geheimrezept gegen Grübeleien und den Autopilot-Modus? Reit- und Yoga-Retreats! Jep – ich steige dafür sogar in den Flieger, um auf dem Rücken eines Pferdes durch wilde Natur zu reiten, täglich die Yogamatte auszurollen und mir mit kleinen Ritualen Kopf und Herz, Körper und Geist durchzulüften.

Zwei Stunden vor Abflug stehe ich entspannt am Flughafen Zürich. Online eingecheckt, Gepäck etikettiert – fast rekordverdächtig flitze ich durch die Security. Auch die restliche Reise läuft reibungslos, und am Nachmittag stehe ich vor unserer ersten Unterkunft: ein charmantes Vintage-B&B mitten in Palermo. Da der Retreat noch nicht begonnen hat, lasse ich mich durch die Stadt treiben, schlendere durch enge Gassen, spüre warmen Stein unter den Füssen und sauge das Leben ein.

Am Abend treffe ich auf unser Reiten & Yoga Guide Catherine Lippuner und die restliche Gruppe: herzliche Frauen, mit denen das Lachen sofort leichtfällt. Jede erzählt, wer sie ist und was sie hierher geführt hat. Nach einem kleinen Ankunftsritual geniessen wir unser erstes gemeinsames Essen – viele geteilte Vorspeisen und herzhafte Hauptgänge.

Während manche noch einem Gelato hinterherjagen, ziehe ich mich – müde, aber glücklich – früh ins Bett zurück. Denn hier heisst es: früh raus, rein ins Abenteuer!

 

Reiten, atmen, lachen, leben

Der nächste Morgen beginnt nicht mit einem nervigen Wecker, sondern mit dem zarten Läuten einer Kirchenglocke und ersten Sonnenstrahlen, die durchs Fenster blitzen. Beim Frühstück greife ich zu Müsli, frischen Früchten, einem Glas O-Saft und einem extra starken Kaffee. Und spüre: Wegen der lockeren Energie und guten Laune dieser Frauengruppe werde ich jetzt schon leichter.

Nach dem Frühstück fahren wir hinaus aufs Land nach Prizzi – ins wilde Herz Siziliens, wo die Zeit langsamer tickt und die Natur in den sattesten Farben blüht. Auf dem idyllischen Landgut werden wir mit Aperol Spritz und sizilianischen Häppchen empfangen. Die Hosts der wunderschönen Azienda stellen sich vor: Francesco und Anna sind unsere Guides fürs Reiten, das junge Ehepaar Elisa und Nino werden uns mit ihrem Essen die Bäuche füllen. Danach geht’s in die liebevoll möblierten Zimmer und weiter zu einem ersten köstlichen Mittagessen. Und dann – endlich – zu den Pferden!

Ich bekomme Nestore zugeteilt: ein fast kitschiger, schneeweisser Araber-Connemara-Mix mit lang gelockter Mähne und ordentlich Pfeffer im Hintern. Beim ersten Galopp schiesst er los wie ein geölter Blitz – inklusive drei Bocksprüngen. Hallo Adrenalin! Wir reiten durch saftiges Grün, vorbei an bunten Blumenwiesen, mit Blick auf das hügelige, ungezähmte Sizilien. Ein unvergesslicher Vorgeschmack auf die nächsten Tage!

Zurück am Hof gönnen wir uns eine kleine Siesta und danach eine entspannte Gesichts-Yoga-Session mit Halb-Edelsteinen. Falten kriegt man also nicht nur beim Schönheitschirurgen geglättet, sondern auch mit viel Durchhaltevermögen und dem richtigen Druck der geschliffenen Steine! Beim Abendessen (Risotto! Salat! Fruchtsalat! Mehr bitte!) wird gelacht, erzählt, genossen – und ich falle satt und selig ins Bett.

 

Slow Life, bitte zum Mitnehmen

Am nächsten Morgen ist es kühl und der Himmel hängt schwer über uns. Nestore, mein treuer Gefährte, lässt sich jedoch wie immer gelassen striegeln und satteln. Kein Murren, kein Zucken – ein sanftmütiger Gentleman auf vier Hufen. Als wir losreiten, ist vom Regen nur noch ein feiner Niesel geblieben, der in der warmen, dunstigen Luft fast verschwindet. Die Landschaft um uns herum ist wild und üppig, als wäre sie einem Märchen entsprungen. Im feuchten Dunst leuchtet das satte Grün noch intensiver, Blumen und Kräuter säumen den Weg, als hätte jemand ein Auenland auf Sizilien gepflanzt. Ein Hauch von Magie liegt in der Luft.

Schritt, Trab, Galopp – und wieder zurück zum Schritt. Es fügt sich alles wie von selbst. Mein Körper, mein Atem, mein Pferd – in vollkommener Harmonie. Der Alltag? Scheint Lichtjahre entfernt. Mein Nervensystem schnurrt zufrieden wie ein sattes Kätzchen in der Sonne.

Am Mittag wartet eine herrlich duftende Pasta auf uns – einfache, ehrliche, italienische Seelenkost. Danach: Dessert und Siesta per sempre. Am Nachmittag fahren wir nach Prizzi zu einem Freund von Francesco, der seinen eigenen Wein herstellt – zur Degustation mit, natürlich, Apéro-Knabbereien. Wir schlagen uns die Bäuche voll, lachen viel und albern herum – der Wein ist vermutlich nicht ganz unschuldig. Zurück auf der Azienda folgt – wie könnte es anders sein – das Abendessen. Yogisches Dehnen des Magens: Mangiare, mangiare, mangiare!

 

Vom Pferderücken direkt ins Herz

An Tag vier weckt mich Vogelgezwitscher. Nach meinem bewährten Morgenritual – Müsli mit Joghurt und frischen Früchten – mache ich mich für den bisher längsten Ausritt bereit: ein Ganztagesritt. Das Wetter? Auf unserer Seite – zwanzig Grad, klarer Himmel, perfekte Bedingungen. Unser Weg führt über Stock und Stein, durch eine üppige Landschaft, die aussieht, als hätte jemand einen Zauberfilter darübergelegt. Nach gut drei Stunden steigen wir ab, rollen unsere Yogamatten aus und dehnen unsere müden Körper beim «Yoga für Reiter».

Danach folgt ein Lunch, der schneller verschwindet, als man «Buon appetito» sagen kann.

Ich nehme mir fest vor: Dieses Gefühl will ich mit nach Hause nehmen. Ganz oben auf meiner Liste stehen jetzt Me-Time einplanen, Handypausen einbauen, wieder mehr Yoga, weniger Multitasking. Und atmen. Einfach atmen. Leben ein, Stress raus.

Zum Tagesabschluss gibt’s einen kleinen Apéro – danach dürfen wir die Fohlen besuchen. Und anscheinend stehen Fohlen total auf Popo-Massagen! Wer hätte das gedacht? Später wird noch hausgemachter Schnaps verkostet. Dolce Vita – auf sizilianische Art.

 

Herzverbindung statt WLAN

Der letzte Tag beginnt mit dem vertrauten Duft von Bialetti-Kaffee – dem wohl schönsten aller Morgendüfte. Beim Frühstück sind wir alle ein wenig in uns gekehrt. Die Stimmung: ruhig, fast melancholisch. Und irgendwie rücken die Gespräche näher ans Herz. Es geht um Familie, um Schwestern, um Eltern. Ein paar Tränen fliessen. Und es ist schön. Echtes Verbundensein. Mit Frauen, die mir vor wenigen Tagen noch fremd waren – und nun wie alte Freundinnen wirken. Es wird ehrlich – und es wird schön. Catherine sagt immer:

„Nothing gold can stay.“

Und vielleicht hat sie recht. Es gibt Momente, die so besonders sind, dass man sie nur festhalten kann, indem man sie loslässt. Die Zeit mit dieser Gruppe gehört definitiv dazu.

 

Yoga mit Pferdeblick & galoppierende Flucht

Dann bricht unser letzter Ritt an. Unser Ziel ist eine kleine Farm von Freunden unserer Hosts mit Hühnern, Pferden, Gänsen, Schweinen – und einer Küche, die uns hemmungslos überessen lässt. Mein Bauch? Quasi auf Tuchfühlung mit dem Sattel. Aber hey – wer zählt Kalorien? Zwischen den angebundenen Pferden machen wir Yoga. Eine Kombi wie Pasta & Parmesan – gehört einfach zusammen.

Der Heimritt führte uns an einem kleinen See vorbei, eingerahmt von wild blühenden Blumen. Es sah aus wie auf einer kitschig-schönen Postkarte – fast schon zu perfekt, um echt zu sein. Zurück in die Realität holte mich ein fieser Bienenstich - gerade als wir an einer Imkerei vorbeiritten. Beim nächsten Bienenstock waren wir schlauer: Trab-Modus, Fluchtreflex - doch besser Galopp, dai dai, Adrenalin!

Zur Belohnung wartete eine lange Galoppstrecke über weiche Wiesen. Mein kleines Rennpferd Nestore war kaum zu bremsen – er hat’s gefeiert, und ich auch. Dieses Gefühl von Freiheit, von Wind im Gesicht und völliger Präsenz… unbezahlbar. Sizilien, ich liebe dich.

Zurück im Stall waren wir alle angenehm erschöpft von drei intensiven Tagen zu Pferd. Es folgte eine verdiente Dusche- und Chillpause. Als am Abend wieder pünktlich aufgedeckt wurde, war mein Hunger – ungelogen – auf Null. Das Mittagessen hielt immer noch an. Trotzdem kämpfte ich mich heldenhaft durch ein paar Bissen bis zum Dessert. Und wieder war ich: überfressen, aber glücklich.

Francesco, unser Guide und Gastgeber, konnte uns gar nicht genug loben – und ehrte uns mit dem Titel „Die Gruppe, die am besten ausgegessen hat“. Eine Auszeichnung, die wir mit Stolz tragen!

 

Ein letztes Nutella-Gipfeli

Beim Abschiedsfrühstück wurde jede mit ihrem am Vorabend gewünschten Lieblingsgipfeli verwöhnt – meins ist mit Nutella. Natürlich. Es schmeckt bittersüss, wie der Moment selbst.

Zum Abschluss gibt es eine kleine Zeremonie mit Cat: Jede Retreat Teilnehmerin zieht einen Halbedelstein und teilt ihren Edelsteinmoment der Woche.

Meiner? Jeder einzelne Ritt mit Nestore. Und diese besondere Frauengruppe. Kein Drama, keine Allüren. Nur Miteinander, Tiefgang, Respekt, Lachen – und das Gefühl, genau hier richtig zu sein.

Ich fahre nach Hause mit mehr als nur ein paar Erinnerungen. Ich nehme ein Gefühl mit – von innerer Weite, Klarheit, Verbundenheit. Und einem prall gefüllten Bauch voller sizilianischer Liebe.

Denn am Ende geht’s um Fülle. Nicht nur im Teller. Sondern im Herzen.

 
 

Quellen & Bildnachweise

Alle Bilder in diesem Beitrag sind im Besitz von Catherine Lippuner und wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Weitere Infos zu den Retreats von Catherine findest du auf Reiten & Yoga.

Zurück
Zurück

Farbenliebe – Eine Reise durch meine Welt der Farben

Weiter
Weiter

Ist der TV im Wohnzimmer noch zeitgemäss? Sinnvolle Überlegungen und Alternativen